6. PM BAU Symposium – ein Rückblick

Unter dem Titel „Miteinander statt Gegeneinander“ diskutierten beim letzten PM Bau Symposiums am 14. Juni 2012, sowohl Auftraggeber- als auch Auftragnehmerseite der Baubranche und auch viele Juristen über Lösungsstrategien zur Claim Prävention. Mit diesem Symposium wurde versucht die Grundlagen für die faire Abwicklung von Bauverträgen, vom guten Vertrag bis zur Bewusstmachung der menschlichen Komponente, darzustellen und Lösungsansätze und Antworten für die Umsetzung in der Praxis zu finden.

Das 6. PM Bau Symposium schloss an die Erfolge der vorangehenden an und antwortete mit der Themenwahl auf die auch in der Branche immer lauter werdenden Forderungen nach einer Rückbesinnung auf eine vernünftige Zusammenarbeit im Sinne der Projekte.  Auch vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen sollten die Energien der Beteiligten nicht für langwierige Streitfälle sondern viel mehr für Projektoptimierungen eingesetzt werden. Das Publikum aus mehr als 300 Fachleuten aus 145 Unternehmen und Organisationen der Baubranche konnte nicht nur interessante neue Inputs mitnehmen sondern in den weiterführenden Diskussionen auch Erfahrungen austauschen und ausreichend das persönliche Netzwerk pflegen und weiterentwickeln.

Nach der Einleitung des Organisators Prof. Stempkowski, der die Zielsetzung und Hintergründe des Symposiums erläuterte, hob Dipl.-Ing. Peter Scherer [Geschäftsstelle Bau] in seiner Begrüßung die Aktualität des Themas hervor und verband die Veranstaltung mit dem Auftrag der Wirtschaftskammer zur Wissensvermittlung und der führenden Rolle als Anbieter bauspezifischer Bildung. Das Symposium sieht er dabei auch als Plattform zum Erfahrungsaustausch, wo Best Practice Beispiele mit neuen Lösungsansätzen diskutiert werden, besonders in einer Zeit wo der entscheidende Wettbewerbsvorteil für die Zukunft in der Verbesserung der Mitarbeiterqualifikation liegt. Zurückkommend auf das Veranstaltungsthema betont er wie wichtig die Schaffung einer Win-Win Situation besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist. Hoher Ressourceneinsatz für Streitigkeiten hilft weder der Bauwirtschaft noch der Volkswirtschaft. Es sollte daher wieder zurück zu einer Projektpartnerschaft gefunden werden.

Miteinander statt Gegeneinander

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Hans Lechner [TU Graz] leitete durch den Vormittag, der dem interessierten Publikum deutlich die häufigsten Fehler die zur Entwicklung eines Rechtstreits führen vor Augen hielt, den zwischenmenschlichen Aspekt bei der Abwicklung von Bauprojekten  betrachtete und die positive Wirkung von Partizipation bei Projekten vorgestellte.

Zu Beginn wurde von FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Rainer Stempkowski eindrucksvoll gezeigt mit welchen weit verbreiteten Irrtümern Rechtsstreitigkeiten sicher provoziert werden können. Gleichzeitig gab er konkrete Hinweise zur Prävention von Streitigkeiten und stellte Lösungsansätze vor wie Leistungsabweichungen professionell und fair für beide Seiten abgewickelt werden können. Besonders dem Erhalt einer guten Gesprächsbasis maß er hohe Bedeutung zu, da dann auch bei Schwierigkeiten in der Bauabwicklung gemeinsam Lösungswege gefunden werden können.

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont. Walter Purrer [Universität Innsbruck] stellte in seinem Vortrag den Menschen in den Mittelpunkt der Bauabwicklung. Er zeigt welche Auswirkungen die reine Betrachtung des Menschen als Ressource haben kann. Mit dem Prinzip der Bipolarität erklärte er die Einheit von Verstand und Emotion, die für eine erfolgreiche Umsetzung herausfordernder Bauvorhaben berücksichtigt werden muss. Dipl.-Ing. Wolfgang Wiesner [Porr Bau GmbH]  unterstrich die Ausführungen seines Mitautors und ergänzte um praktische Anwendungsbeispiele. Die Bildung von Experten-Teams, in denen Auftraggeber- und Auftragnehmerseite auf Augenhöhe komplizierte bauwirtschaftliche Sachverhalte abseits des Tagesgeschäftes lösen war dabei nur eine der Kernpunkte.

Zum Abschluss des ersten Themenblocks stellte Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Fellendorf [TU Graz] seine Erfahrungen hinsichtlich Chancen und Grenzen der Partizipation in der Verkehrsplanung dar. Ausgehend vom UVP-Gesetz, dem er eine Steigerung der Planungsqualität, die keinesfalls dazu geführt hat, dass gute Projekte verhindert wurden, aber auch eine Verteuerung des Planungsprozesses zuschreibt, ging er auf die Erfolgsfaktoren von Bürgerbeteiligungsverfahren ein. Besonders hervorgehoben wurde dabei, dass Partizipation auch über die kritische Anfangsphase hinweg, Chefsache sein muss und die Methoden zur Partizipation jeweils maßgeschneidert sein sollten um den gewünschten Erfolg zu bringen. Ihnen allen gemeinsam muss die transparente und ehrliche Kommunikation auch hinsichtlich der Grenzen der Bürgerbeteiligung sein.

Gute und faire Verträge als Claim Prävention

Den Block 2 mit dem rechtlichen Schwerpunkt des Tages leitete der Bauwirtschaftler Univ.-Prof. Dr.-Ing. Detlef Heck [TU Graz] ein. Er machte in seinem Vortrag deutlich wie vielfältig die Anforderungen an Bauverträge sind. Dass die Vertragsabwicklung oftmals scheitert sieht er einerseits in den unterschiedlichen Interessen der Vertragspartner begründet, andererseits auch in den oftmals unklaren Formulierungen. Sein, bei diesem Symposium von vielen Vortragenden unterstützter, Appell lautete daher auch die Verträge klar zu formulieren, sie auch zu leben und vor allem auch Verträge wieder näher an der Baustelle zu leben, anstatt in den Claim-Management Abteilungen der Unternehmen und Bauherren.

Mag. Thomas Kurz [Heid Schiefer Rechtsanwälte OG] referierte über Möglichkeiten für faire Verträge und die faire Umgang mit Vertragsrisiken. Wesentlich aus seiner Sicht ist dabei die Gleichrichtung der Ziele von Auftraggeber und Auftragnehmer durch die Wahl der Ausschreibungskriterien sowie die Schaffung von Anreizsystemen. Er führte Beispiele positiver (wie Value Engineering) und negativer Anreizsysteme (wie Pönalen) an und formulierte abschließend Grundsätze um den fairen Umgang mit Verträgen und Vertragsrisiken zu fördern.

Der Beitrag von DDr. Katharina Müller [Wilheim Müller Rechtsanwälte] spannte den Bogen von den wichtigsten Begriffsdefinitionen zum Thema bis zu konkreten Hinweisen und Tipps für vorbeugendes und konstruktives Claim-Management. Sie verwies auf die vielfältigen Kenntnisse in technischer, bauwirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht die für die Abwicklung von Bauprojekten erforderlich sind und stellte ihren Ansatz zur Konfliktvermeidung und zu mehr Lösungsorientierung vor.

Lösungsansätze aus Theorie und Praxis

Der erste Nachmittagsblock wurde von O.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hans Georg Jodl [TU Wien] geleitet und hatte Praxisbeispiele aus Auftraggeber-Sicht und den wissenschaftlichen Beweis für die positive Auswirkung von Kooperation zum Inhalt.

Die Ausführungen Dipl.-Ing. Arno Piko [ASFINAG Bau Management GmbH] fokussierten auf die Erfolgsfaktoren einer partnerschaftlichen Projektabwicklung. Die Komplexität von Infrastrukturprojekten und die damit einhergehenden Schnittstellen für alle Beteiligten begreifbar zu machen ist eine der wesentlichen Herausforderungen. Gleichzeitig muss der Qualitätsbegriff hinsichtlich Planung und Ausführung dokumentiert sein. Um die, sich aus diesen Punkten zwischen den Vertragspartnern möglicherweise ergebenden, Konflikte zu bewältigen sind innovative Ansätze in alternativen Vertragsmodellen wie z.B. Anreizsysteme für Alternativen, Bonusregelungen für Planungsoptimierungen, neue Zuschlagskriterien, funktionelle Ausschreibungen oder kreatives Bauen am Bestand vonnöten. Aber auch die entsprechende Kommunikation und Lösungen in der Projektorganisation, wie z.B. Projekt-Kick-offs um eine gemeinsame Projektsicht herzustellen, sind ein wichtiger Erfolgsfaktor. In den Organisationen aber auch schon in den Projekten kann durch Projektreviews und Wissensmanagement eine laufende Verbesserung der Abwicklung erreicht werden.

Weiter konkrete Lösungsansätze für eine faire Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung bei großen Tunnelbauvorhaben präsentierte Dipl.-Ing. Dr. Kurt Hechenblaickner [ÖBB-Infrastruktur AG]. Gleichzeitig mit dem hohen Auftragsvolumen von Jahrhundertbauprojekten wie dem Semmering-Basistunnel Neu und dem Koralmtunnel ist auch das monetäre Risiko sowohl für Auftraggeber als auch für Auftragnehmer hoch. Eine faire Vertragsgestaltung ist die Voraussetzung um sowohl hinsichtlich der Kosten als auch hinsichtlich der Erlöse für beide Seiten Sicherheit zu bringen. Der Vortragende zeigte in seinem Vortrag die wesentlichen Faktoren für eine faire Vertragsgestaltung, wie z.B. eine klare Risiko-Sphärenabgrenzung, klare Kalkulationsvorgaben durch die Konzentration auf kalkulationsrelevante Unterlagen in der Ausschreibung und die Zusammenfassung der kalkulationsrelevanten Punkte für den AN auf. Mit konkreten Lösungsansätzen u.a. für den Umgang mit Unsicherheiten des Bau-Soll in der Leistungsbeschreibung gab er Hinweise für eine faire Vertragsabwicklung und verwies abschließend wie schon einige der Vorredner auf die Bedeutung des Faktors Mensch.

Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Bettina Bogner [TU Wien] stellte in ihrem Vortrag die wissenschaftliche Untermauerung der kooperativen Projektabwicklung in den Vordergrund. Sie nutzte dazu die Spieltheorie und untermauerte die These, dass Kooperation immer besser ist als keine Kooperation und in Summe betrachtet beide Partner profitieren. Ergänzend brachte sie den Stellenwert der Kommunikation ein, die von den Zielen, Werten und Vorstellungen der jeweiligen Personen geprägt ist. Diese Faktoren dürfen nicht außer Acht gelassen werden, wenn die für eine erfolgreiche Kooperation erforderlichen Konsenslösungen gefunden werden sollen. Abschließend verwies die Vortragende auf das im Herbst erscheinende ÖBV-Merkblatt „Kooperative Projektabwicklung“, das interessante Hinweise für die praktische Umsetzung verspricht.

Innovative Vertragslösungen

FH-Prof. DI Dr. Doris Link [FH Campus Wien] leitete den letzten Vortragsblock, in dem Auftraggeber, Wissenschaft und Planung ihre Erfahrungen und Ansätze für Vertragslösungen zur fairen Abwicklung von Bauverträgen erläuterten.

Den letzten Themenblock führte BM Dipl.-Ing. Wolfgang Kradischnig [Delta Holding GmbH] mit seinen Erfahrungen und Lösungsansätzen zu einem Paradigmenwechsel zu mehr Partnerschaftlichkeit beim Bauen an. Er beschrieb die momentane Situation in der Branche eher düster und jedenfalls als eine die keinen Spaß macht. Um dies zu ändern appelliert er an den Mut der Beteiligten zu neuen Projektkulturen und neuen Projektorganisationen zu finden, die wieder verstärkt Werte wie Verlässlichkeit, Vertrauen und Lösungsorientierung in den Vordergrund stellen und in einem integralen Ansatz neue Lösungen für die aktuellen Probleme ermöglichen, indem die Projektbeteiligten schon frühzeitig zusammenwirken und so Projekte für die Zukunft optimieren.

Ergänzend zu den Ausführungen der Vorredner stellte Ass.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Daniel Burtscher [Universität Innsbruck] in seinem Vortrag fest, dass die neuen Anforderungen hinsichtlich Lebenszykluskosten und Nachhaltigkeit, die an Projekte heute gestellt werden, das vorhandene Konfliktpotential noch verschärfen. Um Projekte also auch zukünftig erfolgreich abzuwickeln braucht es neue Modelle der Vertragsgestaltung. Dabei wurden u.a. die Modelle des GMP, des Alliance Contract und eines hybriden Abwicklungsmodells vorgestellt, die im angloamerikanischen Raum bereits erfolgreich im Einsatz sind.

Die Fachvorträge schloss Dipl.-Ing. Peter Fischer [STRABAG AG] mit der Vorstellung von innovativen Vertragsmodellen bei internationalen Großprojekten. Auch er stellte Vertrauen als Basis der Vertragsmodelle vor, die er erfolgreich vor allem im osteuropäischen Ausland umsetzt. Durch eine Open Book Philosophie bereits bei der Projektspezifizierung, die eine gemeinsame Zielangleichung im Hinblick auf Kosten, Termine und Qualität zulässt und erst in einem zweiten Schritt zum Bauvertrag führt, lassen sich für den Auftragnehmer kostendeckende Akquisitionen durchführen, die dem Auftraggeber erfolgreiche Projekte bringen. Erfolgsgeheimnis ist auch aus Sicht Fischers die Kommunikation.

Abschließend wurde das neue, bei Linde erschienene, Handbuch Claim-Management von den Herausgebern Katharina Müller und Rainer Stempkowski präsentiert und die ersten drei druckfrischen Exemplare unter den Teilnehmern verlost.

Alles in allem war das 6. PM Bau Symposium nicht nur durch die vielen neuen Inputs aus den Fachvorträgen und anschließenden Diskussionen ein interessanter Tag, es gab auch viele Möglichkeiten das eigene Netzwerk weiterzuentwickeln. Dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wohl gefühlt haben, beweist auch das Ende der Veranstaltung. Erst kurz vor Mitternacht verließen die letzten das Symposium!

Ausblick 7. PM BAU Symposium – LCM Bau Symposium 2013

Die Symposiums-Reihe der Veranstalter Netzwerk Bau mit der Geschäftsstelle Bau der Wirtschaftskammer Österreich, BAUAkademie, den Hochschulen TU Wien, TU Graz, Donau Universität Krems und der FH Campus Wien wird am 13. Juni 2013 in Wien weitergeführt mit dem Schwerpunktthema INNOVATIVE TRENDS IM LIFE CYCLE MANAGEMENT – Lebenszykluskosten - Integriertes Projekt- und Prozessmanagement - 5D-BIM.

www.lcm-bau-symposium.at

Zum Thema LIFE CYCLE MANAGEMENT Bau – Nachhaltiges Bauprojektmanagement gibt es bereits seit 2011 auch ein eigenes postgraduales Studium an der Donau-Universität Krems. Der bereits dritte Lehrgang startet im Oktober 2013.